Denn Stillstand ist der Tod...
Aber ist das wirklich so? Diese Frage müssen wir uns doch heute vermehrt stellen. Wo Menschen in unserer westlichen Welt psychisch immer angeschlagener werden. Wo Depressionen, Burn-Out und Angststörungen immer mehr zunehmen. Wir rennen und rennen im Hamsterrad und halten das für besonders klug. Denn dann sind wir gesellschaftlich angesehen, haben Bedeutung und können unser Leben mit Luxus füllen. Ich frage mich nur: Bleibt da nicht etwas auf der Strecke? Übersehen wir hier nicht etwas essenziell Wichtiges?
Stillstand - oder Pause - ist lebensnotwendig. Wenn wir sie uns nicht nehmen, wird uns das Licht ausgepustet und wir finden uns z.B. in einer Krankheit wieder, die uns zur Ruhe zwingt. Ob wir wollen oder nicht. Und die Natur macht es uns doch vor - es gibt ganz natürliche Zyklen von Werden und Vergehen. Von Aufblühen und Verwelken. Alles fließt. Alles fügt sich in einem gigantischen Rhythmus. Und aus dem Vergangenen entsteht Neues. Und trotzdem haben wir so unendliche Angst vor dem Tod. Vor dem Ende von etwas. Dabei ist jedem Ding, was geboren wird, das Ende schon mitgegeben. Wir können das nicht verhindern. Und meinen trotzdem, dass wir uns gegen dieses Naturgesetz mit aller Macht stemmen können! Woran liegt das?
Wir haben das Gespür verloren
Ich glaube, in unserer Welt, die immer auf Sendung ist, haben wir das Gefühl dafür verloren, wann wir eine Pause brauchen oder wann es Zeit ist, etwas loszulassen. Wir können und wollen nicht akzeptieren, dass es natürliche Phasen von Ruhe und Rückzug geben muss, damit wir Altes aussortieren und Neues erschaffen können. Das funktioniert nur in ausgeruhtem Zustand. Man kann nicht immer lichterloh brennen!
Mit der Kreativität verhält es sich nicht anders! Auch sie kommt und geht in Wellen. Früher wollte ich das nicht akzeptieren. Ich habe mich zur Kreativität gezwungen und war, nicht nur einmal, vollkommen frustriert, weil es einfach nicht mit Zwang und Druck funktioniert hat! Aber kreative Schaffensphasen wechseln sich in einem steten Rhythmus mit Phasen der Stille und des "unkreativ seins" ab. In einem gesunden Körper mit einem gesunden Geist. Es gibt natürlich auch die Menschen, die so weit von ihrem Selbst abgeschnitten und so sehr in einem Hamsterrad gefangen sind, dass sie gar keinen Zugriff mehr auf ihre Kreativität haben.
Wir haben uns als Gesellschaft oder als Kultur also zu weit von unseren natürlichen Rhythmen und Zyklen entfernt. Wir können sie unter den ganzen Anforderungen der Umwelt einfach nicht mehr spüren. Wir müssen leisten, leisten, leisten. Und dabei oftmals über unsere Leistungsgrenzen gehen, was sich schlußendlich darin äußert, dass wir komplett abgeschnitten von unserer Seele durch unser Leben torkeln. Sich z.B. als Künstler/in in den Sozialen Medien zu bewegen ist ein echter Balanceakt. Denn vom Algorithmus und von den Fans wird ein steter Strom kreativer Ergüsse erwartet. Denn man als Künstler/in - sorry - einfach nicht leisten kann! Kreativität ist eben keine Maschine, die wir mal eben anschmeißen und die stetig produziert. Und mit der Anforderung diverser Social Media Manager, man müsse mehrmals täglich Content bringen, sonst würde man nicht erfolgreich werden, ist die Leistungsdruckspirale weiter angeheizt.
Social Media war für mich schon immer ein zweischneidiges Schwert. Und aktuell ist es etwas, was ich tatsächlich auch mit einer gewissen Sorge betrachte. Denn das "Social" in Social Media fehlt mir schon lange. Nichts desto trotz finde ich dort auch tolle Texte, Künstler und Gedanken, die mich bereichern und mich mir selbst näherbringen. Wenn du mehr über meine Gedanken zu Social Media lesen möchtest, empfehle ich dir meinen Artikel "Broken wings and lost fingerprints".
Die Angst vor dem Tod
Doch wenn wir leben wollen, müssen wir mit dem Tod tanzen. Wir müssen wieder in einen natürlichen Rhythmus kommen. Wir müssen die Zeiten der Stille und des Rückzugs genauso schätzen und lieben lernen wie die Zeiten der übersprudelnden Kreativität. Wir müssen uns im immer wieder Loslassen üben, um nicht mehr dienliches abzustreifen. Nur so kann in der Stille, in den Zeiten, die dem Kontakt mit der eigenen Seele vorenthalten sein sollten, etwas Neues entstehen. Nur so können wir unsere Akkus wieder auftanken und uns vor größerem Schaden bewahren.
In unserer Gesellschaft herrscht aber eine fürchterliche Angst vor dem Tod. Zum einen natürlich vor DEM Tod am Ende eines Lebens, aber auch vor allen anderen Toden, die in einem Leben auftreten. Freundschaften, die zu Ende gehen, Arbeitsstellen, die gewechselt werden, Kinder, die aus dem Haus gehen, Haustiere, die vor uns gehen, Partnerschaften, die enden...Die Liste ließe sich endlos weiterführen. Und statt uns im Loslassen zu üben, krallen wir uns fest und fester, wollen sicher sein, dass sich nichts verändert. Dafür strampeln wir uns ab im Hamsterrad des Lebens und verlieren den Kontakt zu uns Selbst. Wir wollen einfach die stete Präsenz des Todes nicht wahrhaben und so bekämpfen wir ihn mit aller Macht.
Dabei haben doch gerade wir Frauen einen ganz natürlichen Zugang zum Werden und Vergehen. Wir sind zyklische Wesen, die in einem steten Auf und Ab leben, Monat für Monat. Ich habe mich z.B. schon vor vielen Jahren dazu entschlossen, die Pille nicht mehr zu nehmen. Weil ich durch sie eintönig geworden bin. Mein Gefühlsleben gefühlt immer auf einer konstanten Null-Linie rumgedümpelt ist. Und bitte versteht mich hier richtig: Es ist gut und wichtig, dass Frauen selbst über ihre Familienplanung entscheiden können. Wir müssen uns nur auf der anderen Seite über den zu zahlenden Preis bewusst sein. Es lohnt sich also, einmal getroffene Entscheidungen auch immer mal wieder zu hinterfragen.
Wir leben in einer Gesellschaft, die den Tod tabuisiert, die nicht mit dem Ende von Irgendetwas konfrontiert werden möchte. Und die dafür bereit ist, sich immer weiter ablenken zu lassen und so beispielsweise in eine Konsumspirale gerät. Dort angekommen sind wir leichte Opfer für Werbemaßnahmen aller Art, die immer wieder neue Bedürfnisse in uns wecken können. Hauptsache, wir müssen uns nicht mit dem Ende. dem Tod oder dem Vergehen beschäftigen.
In der Akzeptanz der Zyklen liegt die Heilung
Die Heilung von der Angst vor dem Tod, die Heilung von Kreativitätblockaden und die Heilung von Süchten aller Art. Doch wie sollen wir in einer Gesellschaft, die das Unausweichliche, das zutiefst Natürliche tabuisiert, einen Zugang zu diesen wundervollen, natürlichen Zyklen finden?
Wir können nur eins tun: Unser Herz mutig in die eigenen Hände nehmen und uns in Momenten, in denen wir uns normalerweise ablenken lassen, genau dorthin sehen, wo wir eigentlich um keinen Preis der Welt hinsehen wollen. Wir müssen uns mit unseren Gefühlen und Emotionen konfrontieren und sie liebevoll in den Arm nehmen, um ihrer Botschaft zu lauschen. Wir müssen uns mit unserer zweiten Natur, mit unserem Selbst vertraut machen und nach innen spüren - vor allem immer dann, wenn wir weglaufen wollen. Weil wir das Gefühl haben, dass wir den Schmerz, den wir dort vermuten, nicht aushalten können. Doch im Schmerz liegt immer Heilung. Denn wo Schmerz und Leid sind, muss auch das Gegenmittel schon vorhanden sein. Genauso wie jedem Anfang ein Ende innewohnt. Und jedem Ende ein neuer Anfang.
Was bleibt uns also zu tun, um das Loslassen lieben zu lernen, den Tod an die Hand zu nehmen und wieder unseren eigenen Rhythmus zu spüren?
Es gibt wie immer viele Wege, die nach Rom führen. Kreativität ist nur einer von vielen. Wie ihr euch denken könnt, einer meiner liebsten. Aber eben auch nur einer! In meinen Bildern drücke ich aus, was mich gerade beschäftigt, berichte (male) von Erkenntnissen, die ich hatte oder drücke meinen Zorn und mein Unverständnis für so mancherlei, was in unserer Gesellschaft als "normal" akzeptiert wird aus. Aber ich suche auch nach anderen Perspektiven in Büchern und anderen Medien. Ich konfrontiere mich gern mit anderen Blickwinkeln, um meinen eigenen Horizont zu erweitern und meinem eigenen Selbst immer näher zu kommen. Auch Meditation, der Aufenthalt in der Natur und Bewegung sind für mich gute Methoden um mit mir und meinen natürlichen Rhythmen in Kontakt zu kommen und meiner Seele zuzuhören.
Ein paar Worte zum Bild
Wie ihr dem Datum auf dem Bild entnehmen könnt, ist es schon einige Jahre her, dass ich es gemalt habe. Und es ist entstanden, lange bevor ich wirklich verstanden habe, was ich da eigentlich zu Papier gebracht habe. Intuitiv trug es den Namen "Die Wüstenfrau". Aus heutiger Sicht betrachtet bedeutet es für mich, dass in jeder Frau (vermutlich auch in jedem Mann) zwei Aspekte schlummern, ein Aspekt, der im Aussen existiert, sozusagen unsere Persönlichkeit, die wir mit der Welt teilen, und einen inneren Aspekt, den wir unser Selbst, unsere Seele nennen können. Im Laufe des Lebens verlieren wir den Kontakt zu unserer Seele und lassen uns von den Vergnügungen und Dramen im Aussen mitreißen (was übrigens ein ganz normaler und vielleicht sogar wichtiger Vorgang ist). Bis wir uns irgendwann in einer Wüste wiederfinden, in der wir nichts wirklich Lebendiges mehr vorfinden. Nun heißt es "Aufbruch". Wir müssen uns auf den Weg, auf die Reise machen, uns wieder mit unserer Seele zu verbinden. Die Kamele machen uns auf diese erforderliche Reise aufmerksam.
Für mich war es sehr spannend, nach so vielen Jahren die Bedeutung hinter dem Bild zu erfassen. Es ist tatsächlich eins der wenigen Bilder, die entstanden sind, ohne dass ich genau wusste, was ich dort tue. Es ist mir in den letzten Jahren immer wieder vor die Füße gefallen und ich habe mich immer wieder gefragt, was es mir sagen möchte. Heute meine ich, zu verstehen, was es mir zuruft. Selbst wenn wir beide Aspekte kennen und miteinander verbunden haben - die Reise geht immer weiter. Sie ist spannend und immer wieder herausfordernd, manchmal brauchen wir sämtliche Kraftreserven, aber immer kommt am Ende etwas Wundervolles heraus. Wenn wir denn bereit sind, in unsere tiefsten Tiefen und bestgehütesten Geheimnisse zu schauen...
Wenn es dich interessiert, warum du das was du suchst, nicht im Aussen sondern nur in deinem Inneren findest, empfehle ich dir meinen Artikel "Wir suchen an der falschen Stelle".