Selbstoptimierung – ein ewiges Hamsterrad

so entkomme ich dem Teufelskreis

Selbstoptimierung - schon das Wort lässt meine Nackenhaare zu Berge stehen. Optimierung - als wenn ich irgendwie nicht richtig bin, es etwas zu reparieren oder zu beschleunigen gäbe. Und dieser Wahnsinn ist gesellschaftsfähig, ja fast schon eine Erwartungshaltung. Es gibt doch immer was zu tun, immer noch ein bisschen besser zu werden. Oder?

Was ist das eigentlich, diese Selbstoptimierung?

Ganz allgemein geht es bei der Selbstoptimierung darum, sich selbst immer weiter zu verbessern. Das kann in nur einem Lebensbereich passieren, sich aber auch auf alle Bereiche ausdehnen. Menschen, die der Selbstoptimierung (oder auch dem Perfektionismus) zum Opfer gefallen sind, befinden sich in einer ständigen Spirale von Selbstreflexion, dem Bedürfnis nach Verbesserung der persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten, Selbstkontrolle, sich nie gut genug fühlen und permanenter Kontrolle ihres Lebens. Müßiggang und Pausen sind hier Fehlanzeige, denn jede wache Minute...ach nee, JEDE Minute, auch die im Schlaf, muss optimal genutzt werden, um sich persönlich zu verbessern. 

Warum ist Selbstoptimierung nun ein Problem?

Nun, das größte Problem an dem Bedürfnis, sich ständig zu verbessern und seine Lebenszeit optimal zu nutzen, ist, dass dieser ständige Anspruch Stress verursacht. Und Stress ist ein Ausdruck von Angst. Denn was eigentlich hinter dem Drang zur Selbstoptimierung steht ist die Angst, nicht mitzukommen, abgehängt zu werden, eben nicht gut genug zu sein für die Welt da draussen. Heute scheinen wir in einer Gesellschaft zu leben, die diesen Zustand mittlerweile als normal akzeptiert und damit zum neuen Standard erhoben hat. Doch wenn mein Körper die ganze Zeit von Stress- und Angsthormonen geflutet wird, entferne ich mich immer weiter von einem glücklichen und zufriedenen Leben. Ich kann nicht mehr genießen und ich kann mich nicht mehr hingeben. Kurz, mein ganzes Leben wird ein Leistungswettbewerb, in dem ich immer und immer wieder die nächste Stufe erklimmen muss. Und so bringt mich die Selbstoptimerung, der ich mit Hilfe von Selbstoptimerungs-Apps, den Ratschlägen von Mindset-Coaches und Ratgeberbüchern fröne, mich immer weiter von dem weg, was ich damit eigentlich erreichen möchte - nämlich ein zufriedenes und erfülltes Leben.

Kreativität wird von der Entspannung zum Muss

So finde ich in keinem Lebensbereich mehr Entspannung, Freude und Lust. Wenn ich z.B. kreativ bin und male, lasse ich mich nicht mehr freudig auf die Farben und Formen ein sondern bin die ganze Zeit mit meinem inneren Kritiker beschäftigt, der alles, was ich aufs Papier bringe, in der Luft zerreisst. Besser geht schließlich immer. Doch verliere ich mit dieser Haltung nicht etwas ganz Wesentliches im Leben? Vergesse ich nicht sogar zu leben, wenn ich mich innerlich zu immer höheren Höhen anpeitsche?

Wenn mir mein innerer Kritiker ein: "Ich kann nicht malen!" hinschmeisst, sollte es mir dann nicht einfach egal sein? Kann ich mich nicht einfach an den Farben und am Tun erfreuen, ohne die ganze Zeit darüber nachzudenken, dass mein Bild wahrscheinlich nicht neben einem Picasso im Museum hängen wird. Die Krux an der Geschichte ist, dass ich mich nämlich meistens gar nicht frage, ob ich das überhaupt will. Ich peitsche mich also zu immer mehr Leistung, weil ich mich mit etwas vergleiche, was evtl. überhaupt nicht meinen Zielen entspricht. Und statt kurz innezuhalten und das zu hinterfragen, renne ich einfach weiter. Und im Zweifelsfall entgehen mir wundervolle kreative Stunden, weil ich mich vor lauter Leistungsdruck gar nicht mehr traue, auch nur einen Pinsel anzupacken.

Optimierung vs. gesundes Wachstum

Versteh mich richtig, ich habe überhaupt nichts dagegen einzuwenden, sich zu verbessern, sich Ziele zu setzen und Neues zu lernen oder zu üben, um sie zu erreichen. Aber dieser Wahnsinn muss aufhören! Ich möchte diese Leistungsspriale, die sich immer schneller dreht, hinter mir lassen und mich nicht mehr ständig selbst optimieren. Denn das würde voraussetzen, dass ich davon ausgehe, dass ich so, wie ich im Moment bin, nicht in Ordnung bin. Und das ist einfach nicht wahr! Ich bin okay! Du bist okay! Dürfen wir uns weiterentwickeln? Ja, natürlich! Aber müssen wir uns dafür fertigmachen, den ganzen Tag überwachen und vor lauter Stress und Angst nicht mehr aus den Augen gucken können? NEIN!

Gibt es Möglichkeiten, diesem Druck zu entkommen und wieder entspannter und zufriedener zu leben? Ja, auf jeden Fall und hier habe ich ein paar Ideen, wie das gelingen kann:
  • Weniger Social Media, denn Instagram, Facebook und Co sind eine Gefahr für das eigene Selbstvertrauen. Es gibt schließlich immer jemanden, der besser, erfolgreicher und schöner ist als ich. 
  • Angst und Stress als das erkennen, was sie sind und nicht anfangen, sie schön zu reden oder zu rechtfertigen
  • Einfach machen und den inneren Kritiker reden lassen. Beim Malen einfach den Prozess genießen und sich nicht aufs Ergebnis fokussieren. Ausprobieren, spielen, kritzeln, klecksen...
  • Mit einer guten Freundin oder einem guten Freund über diesen Druck sprechen und gemeinsam Ideen entwickeln, wie anders damit umgegangen werden kann.
  • Sich bewusst Auszeiten nehmen, in denen nix getrackt, verbessert oder optimiert wird.
  • Auch mal Fünfe gerade sein lassen - gerade dann entstehen die schönsten Momente, weil ich Spontanität und  Ungeplantes in mein Leben lasse.
  • Dankbar für das sein, was bereits da ist. Denn, wie Eckhart Tolle so treffend sagt, wir haben immer nur diesen Moment, das Jetzt.
Aus eigener Erfahrung und dem mir innewohnenden Hang zum Perfektionismus und Grübelei weiß ich, wie schwierig es sein kann, diesem Hamsterrad zu entkommen. Ich weiß aber auch, dass es möglich ist. In kleinen Schritten kann ich mich daraus befreien und nach und nach die Dinge, wie das Malen, wieder mit (Experimentier-) Freude statt mit Druck und Verbissenheit tun. 

Selbstoptimerung ist ein nie endender Teufelskreis. Wir sind keine Maschinen, bei denen der Optimierung z.B. durch den Stand der Technik Grenzen gesetzt sind. Wir sind Menschen mit einem Selbst, dass sich in die Unendlichkeit ausdehnen kann. Und deshalb ist der Selbstoptimierungs-Teufelskreis so gefährlich. Wenn wir nicht aussteigen, dann dreht er sich immer weiter - bis in die Unendlichkeit. 

Es lohnt sich also, dem Wahnsinn ein Ende zu setzen und wieder mehr im gegenwärtigen Augenblick anzukommen. Wahrzunehmen was ist. Zu atmen.  Zu leben. Zu lieben. Zu fühlen. Zu danken. Zu sein.

Die Auseinandersetzung mit der Endlichkeit des Lebens kann übrigens auch helfen, dem Teufelskreis der Selbstoptimierung und des höher, schneller, weiter zu entkommen. Wenn dich meine Gedanken dazu interessieren, schau doch mal in meinem Artikel  "Mit dem Tode tanzen" vorbei.

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